Projekt

Modellbildung zur NVH Simulation eines E-MOTIVE Antriebsstrangs

Steckbrief

Eckdaten

Professur:
TA
Fördermittelgeber:
AiF FVA
Förderprogramm:
Status:
beendet
Forschungsgebiet:
Maschinenakustik, -diagnose und Transpferpfadanalyse,
Akustische Messtechnik

Ansprechpartner

Die akustischen Eigenschaften von Kraftfahrzeugen im Allgemeinen haben sich in den letzten Jahren zunehmend zu einem zentralen Gestaltungsaspekt der Fahrzeugentwickler hinsichtlich Komfort und Markenzeichen entwickelt. Durch die vermehrte Einführung von Fahrzeugmodellen mit Elektroantrieb ergeben sich derzeit Problemstellungen die über den bisherigen Erfahrungshorizont der Industrie hinausgehen. Elektrische Antriebe sind zwar inhärent leiser als Verbrennungsmotoren, jedoch wandelt sich die Charakteristik der von ihnen erzeugten akustischen Abstrahlung von den gewohnten und mittlerweile wohldesignten tieffrequenten hin zu sehr tonalen, höherfrequenten Signalen. Diese neuen Signale liegen in einem wesentlich empfindlicheren Bereich des menschlichen Gehörs und werden im Zusammenspiel mit ihrer tonalen Zusammensetzung von den Fahrzeuginsassen als wesentlich störender wahrgenommen. Für die Automobilhersteller ergibt sich somit das Bedürfnis, auch im Bereich der Elektroantriebe eine fundierte Kenntnis über die akustisch geeignete Auslegung eines solchen Antriebes zu erlangen. Aufgrund des hohen Konkurrenzdrucks am Markt erscheint es in diesem Fall unzweckmäßig zeitaufwändige experimentelle Studien durchzuführen. Allerdings existiert für die akustische Auslegung von elektrischen Antrieben bisher kein Simulationstool welches eine Beurteilung von Veränderungen an der Maschine oder der Fahrzeugstruktur direkt in ihrer akustischen Auswirkung im Fahrzeuginnenraum ermöglicht. An dieser Stelle setzt das Forschungsvorhaben FVA-Nr. 682 I an. Die Zielsetzung ist die Entwicklung eines integrativen Gesamtmodells zur akustischen Bewertung eines vollständig simulierten E-MOTIVE Antriebsstrangs. Die Bearbeitung des Projektes wird von drei Forschungsstellen, dem Institut für elektrische Maschinen (IEM), dem Institut für Maschinenelemente und Maschinengestaltung (IME) und dem Institut für Technische Akustik (ITA) der RWTH Aachen durchgeführt. Die drei Forschungsstellen sind entsprechend ihrer Fachgebiete für unterschiedliche Simulationsstufen zuständig und arbeiten interdisziplinär eng verknüpft an der Entwicklung der Gesamttoolkette. Die Definition von Teilmodellen und effizienten Schnittstellen ist daher die Hauptaufgabe des ersten Projektabschnitts. Die parallele Vermessung eines Versuchsfahrzeugs auf einer Teststrecke ermöglicht gleichzeitig die Einschätzung des zu simulierenden Frequenzbereichs und erlaubt somit eine erste Eingrenzung der Berechnungen auf einen sinnvollen Umfang zwecks schneller Simulation. Die von den Industriepartnern zur Verfügung gestellten einzelnen Antriebsstrangkomponenten des Versuchsfahrzeugs, wie die elektrische Maschine und das Getriebe, werden in der Folge unabhängig auf Prüfständen des IME vermessen. Die Komponenten werden weiterhin auf dem Antriebsstrang-Prüfstand des IEM zusammengeführt. Aus diesen Messungen ergeben sich die Daten für eine spätere Validierung der einzelnen strukturellen Modelle und des interagierenden Gesamtsystems. Ebenso dienen diese Messungen dem Erkenntnisgewinn über sinnvolle Modellierungsgrenzen. In den akustischen Messräumen des ITA werden binaurale Luft- und Körperschall-Transferpfade mit einen Kunstkopf an der Fahrerposition gemessen. Der Antriebsstrang wird hierfür komplett aus dem Fahrzeug entfernt. Für die Luftschall-Messungen wird mit einem Lautsprecher eine Hüllfläche um die ursprüngliche Antriebsposition abgefahren um auch die Einflüsse der Abstrahlrichtung zu betrachten. Der Körperschall-Transferpfad wird mit der Impulshammer-Methode an den drei Struktur-Kopplungspunkten gemessen. Diese Messungen dienen zum einen ebenfalls der Eingrenzung des notwendigen Simulationsumfanges, zum anderen werden die gemessenen Transferpfade im hybriden Ansatz des akustischen Abstrahlungsmodells benötigt. Parallel zu und in der Folge der messtechnischen Betrachtungen werden an allen drei Forschungsstellen die geplanten Simulationsmodelle entwickelt und validiert. Der Forschungsschwerpunkt des IEM ist die Entwicklung eines Modells zur Beschreibung der Kraftanregung in einer Umrichter gespeisten elektrischen Maschine. Hierbei werden verschiedene Modellansätze verfolgt: Eine Modellierung über Entwicklungstabellen basierend auf den Maschinenparametern, die Methode der konformen Abbildung, sowie die numerische Modellbildung mittels FEM. Die Untersuchungen zeigen, dass auch analytische Verfahren eine gute Abbildung des Verhaltens liefern. Das IME setzt seinen Forschungsschwerpunkt auf die strukturdynamische Modellierung aller Antriebsstrangkomponenten. Die von der elektrischen Maschine angeregten Kräfte werden hierbei beginnend bei der Oberfläche der Stator-Zähne auf die Struktur aufgeprägt. Über ein MKS-Modell des Antriebsstrangs wird das Schwingverhalten abgebildet. Das Modell berücksichtigt die laminare Struktur des Stators mit seiner Wicklung durch eine Richtungsabhängigkeit des E-Moduls und des Schubmoduls und berechnet lastabhängige Steifigkeitsfelder der Verzahnungsstufen und der Wälzlager. Auch der Einfluss des Kühlmittels und der Anschlüsse wird identifiziert und berücksichtigt. Die Simulationsergebnisse werden in Form von Oberflächenschnellen und Kräften an das ITA weitergegeben Am ITA wird ein Modell für den akustischen Eintrag des Antriebsstrangs in die Fahrgastzelle entwickelt. Als Lückenschluss zwischen den gegebenen Oberflächenschnellen und den auf Schalldruck basierenden Luftschalltransferpfaden wird, entsprechend der vornehmlich zylindrischen Form der Elemente, ein analytisches Zylinder-Abstrahlungsmodell mit Richtungsabhängiger Berücksichtigung der Endplattenabstrahlung verwendet, welches für den konkreten Fall durch Vergleiche mit numerischen Simulationen validiert wird. Die gemessenen binauralen Transferpfade ermöglichen nun die Zusammenführung aller Luft- und Körperschallgrößen zu einem zeitabhängigen Schalldrucksignal an den Fahrerohren. Dieses binaurale Zeitsignal bildet die Grundlage für beliebige subjektive und objektive Bewertungen des akustischen Verhaltens des simulierten Antriebsstrangs im Versuchsfahrzeug. Somit ist eine komplette Toolkette erstellt, die in vergleichsweise kurzer Zeit aus der Vorgabe beliebiger Betriebspunkte der elektrischen Maschine die über die gesamte Struktur übertragenen, im Fahrzeuginnenraum auftretenden Schalldrucksignale berechnet. Um die gesamte Toolkette zu demonstrieren werden im Rahmen des Forschungsvorhabens mehrere Beispielsimulationen durchgeführt. Diese Simulationen werden neben einfachen Auswertungen bezüglich des Zeit- und Frequenzverlaufs auch Betrachtungen hinsichtlich der standardisierten psychoakustischen Bewertung nach der Lautheit des Signals unterzogen. Die Lautheit ist die für Menschen gehörrichtige Abbildung der empfundenen Lautstärke eines akustischen Signals unter der Berücksichtigung der Sensitivität in verschiedenen Frequenzbereichen und zeitlichen Effekten wie der Signalverdeckung. Die Beispielsimulationen umfassen einen Volllast- und einen Teillast-Hochlauf des Antriebs in seiner Standardkonfiguration. Basierend auf den Auswertungen dieser Simulationen wird jeweils eines Variante mit Modifikationen an der Rotorgeometrie der elektrischen Maschine, sowie mit einer elastischen Entkopplung zwischen dem Rotor der elektrischen Maschine und der Antriebswelle des Getriebes durchgeführt. Eine solche Anwendung der Toolkette entspricht dem letztendlich beabsichtigten Anwendungsfall. Beide Varianten zeigen die beabsichtigte Wirkung in den vorhergesagten Drehzahlbereichen des Hochlaufs, allerdings deckt die integrative Simulation auch unerwartete Effekte durch das Interaktion des Gesamtsystems in anderen Drehzahlbereichen auf. Die Möglichkeit der Aufdeckung derartiger Effekte ist ein großer Vorteil des entwickelten Simulationsverfahrens gegenüber einzelkomponentenbasierten Auslegungsmethoden. Die einzelnen Validierungen und die Abschließende Demonstration der Toolkette zeigen, dass das Ziel des Forschungsvorhabens erreicht ist.